Stadt landshut
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Der Charme der Literaturtage

23.11.2022
Kultur

Ein grandioser Auftakt und vier ausverkaufte Termine: Kulturbeauftragte Uta Spies und Co-Kurator Christian Muggenthaler blicken sehr positiv auf die 21. Landshuter Literaturtage zurück.

Zwei Wochen lang haben die 21. Landshuter Literaturtage ihren Charme in der Stadt versprüht, am Sonntag gingen sie mit einer Lesung von Lisa Gusel zu Ende. Das Fazit von Uta Spies, Kulturbeauftragte der Stadt Landshut und Projektleiterin der Literaturtage, fällt sehr positiv aus: „Wir haben 13 sehr gelungene Veranstaltungen unterschiedlichster Art erleben dürfen, drei davon in Schulen. Grandios war die Auftaktveranstaltung mit Doris Dörrie im Prunksaal! Dieser war fast bis auf den letzten Platz voll, das Publikum beschwingt. Das gab es noch nie zuvor bei den Literaturtagen. Wir hatten vier Veranstaltungen, größere und kleinere, bei denen wir ,ausverkauft‘ melden konnten“.

Nicht nur die Publikumsveranstaltungen, auch den Podcast kann Uta Spies als Erfolg verbuchen: „Die sechs Hördateien über die Tagebücher des Landshuters F. X. Krieger haben nach wie vor sehr gute Zugriffszahlen.“ Er ist übrigens noch bis 31. Dezember unter www.landshuter-literaturtage.de zu finden. Jedoch gab es auch Wehrmutstropfen, berichtet die Kulturbeauftragte: „Wir haben – wie viele andere Kulturveranstalter auch – zu spüren bekommen, dass das Publikum nicht mehr so selbstverständlich kommt wie in den Vorjahren. Spannend wird es sein, hieraus die ,richtigen‘ Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen. Eine Veranstaltung musste leider wegen der Erkrankung der Referentin entfallen. Auch möchten wir uns für die mäßige Akustik, die wir beim Abend mit Willi Winkler hatten, entschuldigen.“

"Doris Dörrie öffnete bei der Auftaktveranstaltung der Literaturtage im Prunksaal des Rathauses die Herzen der Besucher."
Doris Dörrie öffnete bei der Auftaktveranstaltung der Literaturtage im Prunksaal des Rathauses die Herzen der Besucher.

Ihr Rückblick auf die Literaturtage 2022 stimmt Uta Spies und Co-Kurator Christian Muggenthaler dennoch sehr positiv. Es könnte mit dem Thema „Tagebücher“ der diesjährigen Literaturtage zu tun gehabt haben – jedenfalls herrschte bereits bei der Auftaktveranstaltung im vollen Rathausprunksaal eine ausgesprochen angenehme, ja gemütliche Atmosphäre. Und diese war dann auch bei allen folgenden zwölf Veranstaltungen der städtischen Kulturreihe zu spüren. Für eine charmante Behaglichkeit bei der Eröffnung sorgten mit ihren Wortbeiträgen auch Oberbürgermeister Alexander Putz und die Filmregisseurin Doris Dörrie sowie Maria Reiter am Akkordeon. Putz nannte das Tagebuch die „radikal subjektivste“ Form der Literatur, Eröffnungsgast Doris Dörrie animierte gar die Anwesenden mit einer praktischen Übung zum Selbstschreiben. Das sorgte erst für Verblüffung, schloss dann aber alsbald die Herzen auf. Beim anschließenden Umtrunk im Foyer blieben viele Gäste lang und kosteten die angenehme Stimmung des Abends aus.

Der beglückende Auftakt gab das Vorzeichen für die weiteren Veranstaltungen. Spannend und informativ zugleich war das Thriller-Solo „Die Hitler-Tagebücher“ von und mit Thomas Ecker im Salzstadel. In einer Matinee ließ er ein bizarres Stück deutscher Pressegeschichte perfekt recherchiert und dramatisiert wiederaufleben, mit all den abenteuerlichen Wendungen, wie sie nur die Wirklichkeit schreibt. Und Ecker, dieser famose Geschichtenerzähler, verfolgte diese mit Lust und Ironie.

Auch die von der Stadtbücherei organisierten Literaturtage-Veranstaltungen für Kinder atmeten den ganzen Charme, der die Literaturtage begleitete. So sorgte der Kinderbuchautor Hans-Peter Schneider mit „Seppis Tagebuch“ für vergnügte Kinder. Beim Besuch in der Bücherei in der Weilerstraße und bei zwei Lesungen in der Grundschule Berg begeisterte Schneider mit Seppis Lausbuben-Streichen. Eine Beamer-Präsentation der Buchillustrationen begleitete die Lesung.

"Bereits bei der Auftaktveranstaltung der 21. Landshuter Literaturtage herrschte im Rathausprunksaal eine ausgesprochen angenehme Atmosphäre. "
Bereits bei der Auftaktveranstaltung der 21. Landshuter Literaturtage herrschte im Rathausprunksaal eine ausgesprochen angenehme Atmosphäre.

Einfühlsam und professionell präsentierten Paul-Moritz Rabe vom NS-Dokumentationszentrum in München und die Illustratorin Barbara

Yelin ein ernstes Thema. Sie beschrieben in der voll belegten Aula des Gymnasiums Seligenthal das Schicksal des Rotterdamer Jugendlichen Jan Bazuin, der am Ende des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeit im Reichsbahnausbesserungswerk München-Neuaubing leisten musste. Was der 19-Jährige damals erlebt hat, hielt er in einem Tagebuch fest, was die Seligenthaler Schülerinnen und Schüler spürbar berührte.

Mal äußerst witzig, mal höchst anspruchsvoll verlief das Gespräch zwischen dem Bariton Christian Gerhaher und dem Literaturwissenschaftler Dieter Borchmeyer in der Städtischen Musikschule über Gerhahers „Lyrisches Tagebuch“. Es war ein Gespräch, das auch wegen der guten Laune der beiden Referenten hohen Unterhaltungswert hatte – und natürlich wegen der vielen Erkenntnisse, die man zum Themenfeld Liedgesang mitnehmen konnte.

Ironisch und klug zeigte sich Bernhard Setzwein, der sein „Gelbes Tagwerk“ präsentierte. Dabei sei das Buch „nicht wirklich ein Tagebuch“, wie der Autor gleich zu Beginn des Gesprächs mit Christian Muggenthaler in der Zentrale zum Rieblwirt kundtat. Dem Publikum im gemütlichen Wirtsraum war die Gattungsfrage egal. Es lauschte aufmerksam, als Setzwein eine Auswahl seiner literarischen Lebenseinsichten und Notizen las.

Viel Interessantes erfuhren die Besucherinnen und Besucher auch von Dr. Bernhard Lübbers. Der Leiter der Staatlichen Bibliothek Regensburg zeigte bei seinem Vortrag in der Volkshochschule, wie viel Geschichten und Geschichte man aus einem Klostertagebuch aus dem 18. Jahrhundert filtern kann. Aus den Aufzeichnungen eines Klosterbruders von St. Emmeram in Regensburg erfuhr man allerhand, – etwa von Klimakatastrophen von einst, der Bedeutung von Sitzordnungen und dem Versuch, die Stadt Straubing gegen eine wertvolle Handschrift einzutauschen.

In der Buchhandlung Hugendubel unterhielten sich der Verleger Gunnar Cynybulk, der Autor Titus Müller und der Buchhändler Bernhard Bachem über das Tun und die Motivation von Menschen, die sich beruflich mit Büchern befassen. Es entspann sich ein vergnügliches und informatives Gespräch, in dem es unter anderem um die kaufmännische Seite des Buchgeschäfts, um die Bedeutung von Lektoren und Empfehlungsregale in Buchhandlungen ging.

"Zehn öffentliche Veranstaltungen, ein Podcast und drei Lesungen an Schulen bildeten das Programm der 21. Landshuter Literaturtage. "
Zehn öffentliche Veranstaltungen, ein Podcast und drei Lesungen an Schulen bildeten das Programm der 21. Landshuter Literaturtage.

Nur wenige Tage nach der Literaturtage-Lesung von Verena Roßbacher aus „Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“ bei Bücher Pustet in Landshut wurde die Autorin mit dem Österreichischen Buchpreis ausgezeichnet. Wohl alle Gäste der Landshuter Lesung werden sich dem Urteil der Buchpreis-Jury anschließen. Denn durch ihren Humor, ihre Lebendigkeit, ihre Sensibilität und Tiefgründigkeit gewann die Österreicherin auch das Landshuter Publikum für sich.

Im KOENIGmuseum sprachen die Journalisten Philipp Seidel und Willi Winkler unter anderem über Winklers neues Buch „Herbstlicht – eine Wanderung nach Italien“. Es war besonders, den beiden so unterschiedlichen Charakteren bei ihrem Galopp durch Themen und Landschaften zuzuhören: ein sehr spontan und freundschaftlich wirkendes Gespräch, das – anders als angekündigt – bei weitem nicht nur von Winklers Wanderung von Wittenberg nach Mailand handelte.

Und bei der letzten Literaturtage-Veranstaltung mit Lisa Gusel im Rathausfoyer – auch diese wie mehrere davor vor vollem Haus – wies Co-Kurator Christian Muggenthaler noch einmal auf die Bedeutung von Literaturtagen und Literatur hin: „In Zeiten, in denen so viel von einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft die Rede ist, ist es die Literatur, die die Menschen zusammenbringt und neugierig aufeinander macht.“ Wie das geht, zeige Lisa Gusel beispielhaft: Sie stellte Tagebücher und autobiographische Aussagen von vier Frauen aus vier Kontinenten vor: Sie las aus „Leben in Guatemala“ von Rigoberta Menchú, „Afrika, mein Leben“ von der Kenianerin Wangari Maathai, aus dem „Kopfkissenbuch“ der japanischen Dame Sei Shonagon und aus dem Buch „Paradiesstraße“ von Ulla Lachauer, die die Lebenserinnerungen der ostpreußischen Bäuerin Lena Grigoleit herausgegeben hat. Und Lisa Gusel schaffte es dabei, Türen und Herzen aufzumachen zu fremden Menschen und ihren Lebenswirklichkeiten – so, wie es eben nur Literatur kann.

Thomas Ecker verneigt sich nach seinem Solo-Thriller über die Hitler-Tagbücher vor dem Publikum im Salzstadel.
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Thomas Ecker verneigt sich nach seinem Solo-Thriller über die Hitler-Tagbücher vor dem Publikum im Salzstadel.